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Trampen als Frau

Trampen als Frau Erfahrungen Tipps

Foto: Tramperin / Shutterstock

Mit Anastassija (kurz Ana) vom Abenteuerblog Über 66 Grad habe ich schon länger Kontakt – schließlich teilen wir gleich zwei Leidenschaften: Den hohen Norden und das Reisen per Anhalter. Als sich Ana Anfang des Jahres mein Büchlein „Trampen – Reisen per Anhalter“ kaufte, war sie beim Trampen allerdings noch völlig unerfahren.

Mittlerweile hat sie mehrere Tausend Kilometer per Anhalter zurück gelegt und hat dabei so einiges erlebt. Heute teilt sie hier ihre Erfahrungen beim Trampen – ein Gastbeitrag von Anastassija Thiele:

Meine Erfahrungen beim Trampen durch Skandinavien und Finnland

Ich gebe es zu: noch vor einem halben Jahr habe ich beim Lesen Timos Artikeln über Reisen per Anhalter gedacht „das ist ja interessant, was Timo so alles macht, aber für mich als Frau – naja, ich bin mir nicht so sicher, ob das so einfach und ungefährlich ist“.

Aber warum einfach nicht selbst rausfinden? Nach einem abenteuerreichen Jahr in Finnland war mein Geld schnell alle, die Abenteuerlust aber noch längst nicht vorbei. Ein guter Freund sagt immer: wenn du das wertvollste im Leben besitzt – die Zeit, dann musst du sie nutzen. Geld kommt, Geld geht. Die Zeit jedoch nicht.

So kam es auch, dass ich alle meine bösen Gedanken, Ängste und Sorgen aus dem Kopf schlug, eine gute Freundin schnappte und mit ihr insgesamt 2562 Kilometer durch Finnland und Nordnorwegen im Juni getrampt bin.

Per Anhalter als Frau?

So einfach viel die Entscheidung auch nicht: Trampen als Frau? Das scheint in unserer Gesellschaft inkompatibel zu sein. Selbst meine engsten Freunde schüttelten besorgt den Kopf.

Das kann zum einen daran liegen, dass Frauen (vor allem von anderen Frauen) stets eingeredet wird, das schwächere Geschlecht zu sein und sie sich deswegen tendenziell weniger trauen, etwas zu machen, was nicht in ein bestimmtes Weltbild passt. Aber auch scheint das Grundvertrauen in die Menschen verloren zu sein.

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Im dünn besiedelten Norden war es eine lange Tradition, auf einander angewiesen zu sein und sich gegenseitig zu vertrauen. Fahrer der Ü-50 Generation erzählten uns, dass es in ihrer Jugend ganz normal war zu trampen, als Mann oder Frau.

Ich glaube, dass Skandinavien und Finnland perfekte Regionen sind, um das Trampen als Frau auszuprobieren. Das liegt auch daran, dass die Stellung der Frau in der nordischen Gesellschaft sehr hoch ist. So wirst du in Skandinavien und Finnland nirgendwo dumm angemacht oder einen flotten Spruch hören – was in Deutschland in vielen Situationen zum Standardprogramm gehört.

Überwältigt von der Herzlichkeit der Menschen

Wir hatten keinen Fahrer gehabt, der uns auf irgendeine Art gefährlich vorkam – im Gegenteil, durch das Trampen wurde mein Glauben in die Menschen wiederhergestellt. Selten bin ich vorher Menschen begegnet, die völlig uneigennützig etwas für mich getan haben.

Wir hatten den polnischen LKW-Fahrer, der uns eineinhalb Stunden mit Essen mästete, obwohl er selbst nicht mehr viel übrig hatte. Oder den norwegischen Fischer, der sich plötzlich nach unseren Essvorlieben erkundigte, im Supermarkt anhielt und dann später nochmal bei ihm zu Hause, um uns 1,5 Kilo Garnelen, Mayo, Brot, trockenes Zündholz auf den Weg zu geben.

Und dann eine Freundin anrief, die uns in den nächsten Tagen enorm weiterhalf, ohne uns vorher gekannt zu haben. Ohne Hintergedanken. Einfach so.

Oder auch unser allererster Fahrer, dank dem wir bei einer ungewollten Planänderung eine Unterkunft in Tromsø bei der besten Freundin seines Patenkindes bekommen haben. Die Mädels kannten uns nicht und haben uns 3 Tage so behandelt, als wären wir seit Jahren befreundet gewesen.

Auch die Fahrer, die eigentlich keinen Platz mehr hatten und trotzdem unsere nassen Rucksäcke und uns in ihr Auto quetschten, einfach um uns mitzunehmen.

All das sind Erlebnisse, die wir auf einer „normalen“ Reise nie hätten erleben können.

Mehr Tipps zum Trampen

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Vor Beginn der Reise per Anhalter lohnt es sich auf jeden Fall, seine Englischkenntnisse aufzufrischen. Am bequemsten und quasi nebenbei geht das mit der → Sprachlern-App von Babbel.

Auf den über zweieinhalb Tausend Kilometern wurden wir insgesamt von 19 Fahrern mitgenommen, die alle unterschiedlicher nicht sein konnten. Männer, Frauen, Pärchen, Familien, aller Altersgruppen und Gesellschaftsschichten.

Wir sind ungeplant in wunderschönen aber auch skurrilen Orten zum Übernachten gekommen.
Wir standen im Regen und Sturm, manchmal auch von der Mitternachtssonne belichtet auf einsamen Strassen des Nordens.

Ich würde lügen, wenn ich sage, dass alles immer perfekt geklappt hat. Meine Launeskala reichte vom euphorischen Springen bis hin zur puren Verzweiflung. Auf dem Weg zu den Vesterålen in Nordnorwegen, unserem Ziel der Reise, reichte unsere Wartezeit von 15 Sekunden bis 30 Minuten. Im Schnitt waren es immer 5 bis 10 Minuten.

Auf dem Rückweg hingegen, mit müden Muskeln und Geist, mussten wir auch mal einige Stunden durchnässt im strömenden Regen an einem wichtigen Verkehrsknotenpunkt in Nordnorwegen warten, auch die restlichen Tage davor zogen sich sehr in die Breite.

Aber dann kam immer wieder das Glücksgefühl, wenn ein kommendes Auto anfängt den Blinker nach rechts zu setzten…

Ist es sicher für Frauen per Anhalter zu fahren?

Nach allen meinen Erfahrungen in Finnland und Norwegen kann ich diese Frage einfach bejahen. Ich konnte mich in etwa 17 von 19 Fällen nach wenigen Minuten komplett entspannen.

Was ist mit den anderen beiden Fahrern?

Einer davon war ein Geschäftsmann, der uns am späten Abend mitnahm. Er war so verunsichert – schaute jedes Mal ängstlich, wenn ich nach meiner Wasserflasche in dem Stoffbeutel wühlte, krallte sich so stark an sein Lenkrad fest und redete kaum, dass es mich wahnsinnig machte.

Ganz am Anfang der Reise hatten wie bei einem der Fahrer ein komisches Gefühl, dass wir einfach nicht beschreiben konnten. Er hat uns auch wahnsinnig weitergeholfen und auch nichts Schlechtes gesagt oder getan, aber seine Art ließ mich die ersten 200 Kilometer sehr aufmerksam sein – bis ich mich irgendwann trotzdem entspannen  konnte.

Die wichtigste Waffe die du in dem Moment haben kannst, ist ein starkes Selbstbewusstsein. Solange du dich stark und selbstbewusst zeigst, bist du auf der sicheren Seite.

Uns ist nichts Ärgerliches oder in irgendeiner Art Gefährliches passiert. Pack deinen gesunden Menschenverstand ein, befolge ein paar Sicherheitsregeln, sei selbstbewusst, aufmerksam, freundlich und offen – und trau’ dich einfach!

Das nächste Mal alleine trampen?

Nach alledem, was wir erlebt haben lautet meine Antwort: JA! – auch außerhalb Skandinaviens und Finnlands.

Meine Freundin jedoch verneint diese Frage (noch). Ich verstehe auch ihre Ansicht, zu zweit zu trampen ist sehr einfach und bringt einige gute Vorteile mit sich: zum einen könnten wir uns abwechselnd im Auto ausruhen und nur eine brauchte die ganze Zeit zu quatschen. Zum anderen haben wir uns sicher gefühlt, da wir uns auf die andere verlassen konnten.

Und auch, wenn wir von uns nach einer Stunde warten, Müdigkeit, Kälte und Regen richtig mies gefühlt haben, war es doch schön zu wissen, dass wir nicht alleine da stehen.

Wenn du dich noch unsicher fühlst, schnapp dir einen Freund/Freundin oder such dir jemanden in einer der unzähligen Facebookgruppen und nichts wie los. Ich glaube, dass es egal ist, ob Finnland oder Frankreich – zu zweit per Anhalter zu fahren ist unkompliziert und macht viel Spaß.

Außerdem denke ich, dass es einfacher ist, als Frau zu trampen. Du kannst von allen mitgenommen werden. Familien, unsichere Frauen und Männer glauben eher, dass von einer Frau weniger Gefahr ausgeht. (Ob das tatsächlich so ist, sei jedoch dahingestellt…).

Es wird auf jeden Fall eine Herausforderung für mich sein, das erste Mal alleine zu trampen. Es wird für mich schwieriger sein, mich darauf einzustellen, ganz alleine zu sein, aber gewiss nicht unmöglich. Für den Anfang versuche ich es mit kürzeren Strecken. Nun, Herausforderungen sind doch dafür da, um sie anzugehen oder etwa nicht?

Die Wahrheit ist die: Die einzige wirkliche Grenze, die du wirklich überwinden musst, ist in die in deinem Kopf.

Mein Fazit:

Per Anhalter durch Finnland und Norwegen zu reisen war eine großartige Erfahrung. Trampen macht Spaß und brachte mich zum Nachdenken, ist zudem sehr nachhaltig, sowohl aus ökologischen als auch sozialen Sicht – ich habe mehr Vertrauen in die Menschen gewinnen können, und fühle mich selbst verpflichtet all die positiven Erlebnisse an andere zurückzugeben.

Traue dich und mach’ dir selbst ein Bild davon!

Über die Autorin:

Anastassija verbrachte während ihres Studiums neun Monate in Finnland – wo sie ihre Liebe für den hohen Norden entdeckte. Jetzt hat sie sich das spannende Ziel gesetzt, alle Länder zr besuchen, die auf dem 66. Breitengrad liegen – dem nördlichen Polarkreis. Das wären dann mal eben Finnland, Schweden, Norwegen, Island, Grönland, Russland, Kanada, Alaska.

Ana steht neben dem Trampen auf Wandern und eigentlich alle Abenteuer, die in der Natur stattfinden und ist fleißig dabei, ihre Liste „abzuarbeiten“. Ich habe große Freude dabei, ihr zu folgen. Ihr könnt das auch: Besucht ihren Blog,  folgt ihr auf Facebook, Twitter und Instagram!

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