Erfahrungsbericht: Nachdem ich in diesem Winter Kajak fahren im Süden von Norwegen gelernt habe, steht jetzt mein erstes Solo-Abenteuer mit dem Seekajak im hohen Norden Norwegens an. Die Helgelandküste ist mit ihren über 15.000 Inseln ein perfektes Revier dafür.
Ich stehe in voller Montur aus Trockenanzug und Rettungsweste am Steg, meine Ausrüstung ist in wasserdichte Packsäcke verstaut und mein Kajak liegt abfahrtbereit vor mir, als ich kurz zögere. Mein Kajakverleiher Bjørn ist gerade mit seinem Pick-up-Jeep davongefahren und ich realisiere in diesem Moment, dass ich von jetzt an auf mich allein gestellt bin.
Es ist eine Premiere für mich: Bei meinen winterlichen Kajaktouren in und um Bergen hatte ich jedes Mal einen erfahrenen Kajaklehrer bei mir. Jetzt will ich von dem Städtchen Brønnøysund bis zum Torghatten paddeln. Drei bis vier Stunden werde ich dafür brauchen. Völlig allein und auf offener See, da wird mir schon ein bisschen mulmig.
Aber es mischt sich auf eine dicke Portion Vorfreude in mein Bauchgefühl: Die Helgelandküste ist ein Küstenstreifen etwa 150 Kilometer südlich der Lofoten zwischen Bodø und Trondheim und gilt dank ihrer unzähligen kleinen Buchten und kaum vorstellbaren 15.000 Inseln als echtes Mekka für Kajakfahrer.
Also atme ich ein letztes Mal tief durch und lasse mein gelbes Seekajak zu Wasser. Übervorsichtig steige ich ein: Es ist hier im Norden noch ganz schön frisch, fünf Grad etwa, dazu weht eine kräftige Brise – ich möchte heute auf keinen Fall ins Wasser fallen.
Doch nach wenigen Zügen habe ich mich warmgepaddelt. Nach der großen Brücke lasse ich langsam Brønnøysund hinter mir, die roten, gelben und blauen Holzhäuser am Ufer werden weniger. Statt dessen kommen schon bald die ersten Inselchen näher – sie schützen mich vor den Wellen der offenen Nordsee im Westen.
Leider spielt mir das Wetter an diesem Aprilmorgen nicht wirklich in die Karten: Zu dem frischen Wind gesellen sich immer Niederschlagschauer in sämtlichen Formen: Regen, Graupel, Hagel. Zum Glück währt mein Trockenanzug das alles gut ab und ich finde es noch immer besser, von oben nass zu werden als von unten.
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Die Kälte vergesse ich schon bald: Auf der Hin-Tour zum Torghatten habe ich die Strömung gegen mich, muss mich also ganz schön ins Zeug legen, um vorwärts zu kommen. Schnell komme ich ins Schwitzen. Trotzdem geht es gut voran und ich gefalle mir in meiner Rolle als Kämpfer mit den Naturgewalten.
Die ganze Zeit habe ich den Gipfel des Torghatten gut im Blick. Der Berg mit dem großen Loch in der Mitte eignet sich hervorragend als Orientierungspunkt – und als Motivationshilfe.
Ein bisschen ist Kajakfahren wie Wandern: Jeder Paddelschlag ist wie ein Schritt, der mich sehr langsam, aber sicher, Stück für Stück meinem Ziel näher bringt. Währenddessen passiert nicht viel außer der monotonen Bewegung: Perfekt, um sich einfach nur seinen Gedanken hinzugeben.
Oft vergehen bei mir so Stunden wie im Flug. Ich denke die ganze Zeit über irgendetwas nach, kann aber anschließend kann ich oft gar nicht mehr sagen, was genau mir da durch den Kopf gegangen ist. Mir persönlich geben diese Natursportarten etwas, was andere wahrscheinlich durch Meditation bekommen.
Wenn ich nicht gerade in meinen Gedanken versunken bin, beobachte ich die Seevögel um mich herum: Die Helgelandküste ist nicht nur für Kajakfahrer ein Paradies!
Ein Pärchen Graugänse begleitet mich über fast eine Stunde: Die beiden sind offensichtlich der Meinung, dass ich hier nicht hingehöre und schimpfen ganz furchtbar über mich. Dem Seeadler, der einmal über mich kreist, scheine ich allerdings ziemlich egal zu sein – ich passe nicht in sein Beuteschema.
Zwischendurch lege ich immer wieder kleine Pausen ein: Die Felsen am Ufer machen immer wieder Platz für kleine Buchten und winzige Sand- und Kieselstrände, an denen ich mein Kajak leicht anlanden kann.
Nach guten vier Stunden komme ich schließlich am Campingplatz am Fuße des Torghattens an. Nachdem ich jetzt am Vormittag meinen Oberkörper trainiert habe, stehen am Nachmittag die Beine an: Der Torghatten will erkundet werden und ich werde (versehentlich) gleich zwei Wanderungen unternehmen. Die Erste führt mich auf den Gipfel des Berges, die Zweite zum Loch in der Mitte.
→ Was ich auf, am und um den Torghatten erlebt habe, liest du hier!
Nach einer Nacht im Zelt paddle ich am nächsten Tag auf einer anderen Route zurück nach Brønnøysund. Jetzt kommt immer mal wieder die Sonne raus, was auch gut so ist: Jetzt komme ich an dem perfekten Fotospot für den Torghatten vorbei – von hier aus habe ich den optimalen Blick auf den Berg und sein Loch in der Mitte:
Zusatzinfos – Kajak fahren an der Helgelandküste:
Kajaks ausleihen kann man sich in Brønnøysund bei Nornorsk Oplevelse. Die Homepage des Kajak-Verleihs ist noch nicht ganz fertig, weshalb man sich im Moment den besten Eindruck auf der Facebookseite verschaffen kann. Für mehr Infos oder zum Buchen ruft man am besten direkt bei Bjørn an. Er kennt die Gegend wie seine Westentasche, ist locker drauf und spricht wie fast alle Norweger ein ziemlich perfektes Englisch: +47 995 32 149.
Campingplatz: Der Campingplatz am Fuße des Torghatten liegt optimal für Kajaker und auch für Wanderungen zum Torghatten → Website
Disclosure: Bei meinem Trip an die Helgelandküste wurde ich unterstützt vom Tourist Board Northern Norway.[/vc_column_text][/vc_column][/vc_row]
Ich war letztes Jahr auch an der Helgelandküste mit meiner Freundin unterwegs und es hat uns sehr gut gefallen. Dieses Mal wollen wir aber im Hochsommer hin, da uns der Mai ein wenig zu kalt war 🙂
Interessant geschrieben!
Voll toll dein Blog! Und super Fotos! Die machen richtig Lust ganz schnell die eigenen Sachen zu packen und los zu fahren. Manchmal traue ich mich das aber nicht so richtig. Irgendjemand hat mal gesagt, dass es das schwerste ist los zu gehen. Als ich einmal um Island getrampt bin, war das auch so. Aber als mich dann das erste Auto mitnahm und die Fahrt begann, war alles fein. Zum Kajak Fahren in Norwegen: ich habe überlegt, einfach mal ein Reisebüro zu befragen. Ich meine nicht so ein ordinären Reisebüro wo man Flüge buchen kann, sondern eher eines was so richtige Abenteuer- und Erlebnisreisen anbietet, wie etwa http://www.globetrotter.ch. Die sagen natürlich, dass es echte Erlebnisreisen und individuelle Kulturreisen sind, aber ist das denn auch so? Hast du Erfahrung mit so einem Reisebüro? Bei mir würde dadurch etwas die Hürde sinken, mal nach Norwegen zum Kajaken zu fahren, wenns so ein bissle abgesichert ist.
Danke dir, liebe Heidi!
Hi Timo,
Sehr cooler Bericht und eine echt schöne Landschaft! Ich empfinde es ähnlich wie Du und sehe die monotone Bewegung bei Natursportarten (Wandern bei mir) auch als meine Art von Meditation. Dadurch bekommt man sehr schnell einen freien Kopf.
3-4 Stunden paddeln stell ich mir richtig anstrengend vor. Hast Du dich speziell auf diese Tour körperlich vorbereitet?
LG Alex