Anheuern: Backpacking zur See

Anheuern auf einem Segelboot und so einen einmaligen Segelurlaub und ein echtes Abenteuer erleben: Helena und Tobias haben es getan und waren dabei in einem der schönsten Segelreviere der Welt unterwegs – es ging quer durch die Südsee von Neuseeland bis nach Fiji.

Was sich nach einem echten Südseetraum anhört, wurde allerdings zwischenzeitlich auch zu einem echten Albtraum – in ihrem Gastbeitrag berichtet Helena Sonnen von diesem einmaligen Abenteuer:

Eine planlose Segelreise von Neuseeland in die Südsee

Anheuern auf Segelschiff Alvei

Wer hat nicht schon einmal davon geträumt auf einem altem Piratensegelschiff quer über den Ozean zu segeln? Doch kann das ohne jegliche Segelkenntnisse gut gehen?

Vor mir liegt ein großes Abenteuer: Mein Freund Tobias und ich, Helena, heuern auf einem 100 Jahre alten Segelschiff an. Es liegt im Hafen von Russell, einem kleinen Fischerort auf Neuseelands Nordinsel vor Anker. Das ferne Ziel soll eine Südseeinsel sein. Hinaus aufs weite Meer. Nichts als den blauen Ozean um einen herum.

Kein Land, kein Mensch, keine Zivilisation. Nichts außer der endlosen Weite des offenen Meeres und einem fernen Ziel. Wasser und Himmel, soweit das Auge reicht. Und das bei Tag und bei Nacht. Die Sonne weckt dich in der Früh und lässt dich am Abend innehalten, wenn sie in ihren prachtvollsten Farben wieder am Horizont verschwindet. In der Nacht navigierst du den Weg nach den Sternen.

Ein Lebensalltag, der dich auf das Wesentliche zurückbesinnt. Hier bist nur du und lebst im Rhythmus der Gezeiten. Du befindest dich auf dem Weg, doch kannst das Ziel nur mit Hilfe des Windes erreichen, der dich voran treibt. Mal schneller und mal langsamer. Und die Wellen schaukeln dich beruhigend in den Schlaf. Doch wird es am Ende auch so sein?

Die Vorbereitungszeit

Arbeiten auf Segelboot - Tobias klettert in den Mast

Die ,Alvei` ist ein alter Dreimaster. Hier gibt es allerhand zu tun, um das Schiff seetüchtig zu machen. Doch was uns fehlt, ist mehr Crew. Wir sind nur zu Dritt: eine 22 jährige Engländerin, mein Freund und ich, plus unser brummeliger Käpten.

Ein Seemann, wie er im Buche steht: Mit blau-weißem Hemd,  Halstuch und Seemannsmütze, unter der zwei lustige große Ohren hervorluken. Sein braun gebranntes Gesicht wirkt verwittert, von der Sonne gegerbt, aber freundlich.

Doch lässt sich dieses 35 Meter lange Segelschiff zu viert über den Ozean bis nach Fiji segeln?

Backpacking auf hoher See - Helena auf der Alvei

So malen wir kurzerhand Flyer und ziehen los, mehr Crew zu finden. Ein lustiger Franzose und ein amerikanisches Pärchen finden sogleich Gefallen am alten Seemannsleben. Von da an leben und arbeiten wir zwei Monate lang auf der ,Alvei‘ , wie in einer Kommune. Jeder weiß um des anderen Stärken und Schwächen.

An jedem Tag hämmern, streichen, hobeln und scheuern wir an Deck des Segelschiffes, in das der Käpten einst viel Liebe steckte. Wir klettern in den Masten herum und prüfen die Seile. Flicken die Segel und säubern die Tanks unter Deck.

Mehr zum Thema:

Du planst dein eigenes Abenteuer als Mitsegler? → Meine Tipps zum Mitsegeln!

Schau dir außerdem meine → Packliste für Mitsegler an!

Und hier geht’s zur Übersicht → Altantiküberquerung als Mitsegler.

Doch Segeln lernen wir hier nicht. Was auf der Internetseite (www.alvei.com) als soziales Projekt mit Segelausbildung angepriesen wird, entpuppt sich für uns alle an Bord als Enttäuschung. Immerhin zahlen wir alle für Kost und Logis an Bord, arbeiten jeden Tag dafür und wollen, wie versprochen Segeln lernen. Doch unsere Wünsche bleiben beim Kapitän leider aus.

Es gleicht einem Lebensalltag wie vor 100 Jahren. Eine Dusche gibt es nicht an Bord. Es dient ein Eimer Meerwasser, oder aber, man springt über die Reling.

Abends sitzen wir in der Schiffskombüse beisammen. Spielen Karten und erzählen uns Geschichten aus fernen Ländern. An manchen Abenden gesellen sich auch einheimische Fischer dazu, denn im kleinen Ort Russell sind wir längst zu einer Attraktion geworden. So wird bei Rum und Kerzenschein so mancher Seemannsgarn gesponnen.

So könnte es ewig weiter gehen, wenn nicht eines Tages ein Abschied naht. Zugegeben, Abenteuer wird an Bord der ,Alvei‘ groß, Sicherheit eher klein geschrieben.

Doch was, wenn dir jeder Seemann im Hafen von dieser Reise abrät? Was, wenn die Hälfte der Crew kurz vorm endgültigen Segelhissen wieder von Bord geht? Wie viel bist du persönlich bereit, für ein Abenteuer wie diese Segelreise zu riskieren?

Ein anonymer Warnbrief erreicht uns kurz vor Abfahrt. Was sollen wir tun?

Auf hoher See

Seekrankheit: Helena füttert die Möven

Es gleicht fast einem Wunder, doch einige Tage später kommen vier neue Crewmitglieder an Bord. Nun sind wir zu sechst plus unser Käpten. Wir sind alles Backpacker, die vom Segeln absolut keinen Plan haben.

Und unser Käpten ist zu müde, es uns beizubringen. Auch wenn wir ihn jeden Tag aufs neue darum bitten. Trotzdem ist nun der Tag des endgültigen Segelhissens gekommen.

Was lang ersehnt, wandelt sich irgendwann zum Albtraum.

Eigentlich wusste ich es ganz genau. Die Seekrankheit hält mich ganze 12 Tage über der Reling. Es ist einfach zum kotzen.

Ob bei Regen oder Sturm, bei unseren Schichten gilt es: Augen, Ohren und Nase auf und immer gut festhalten. Denn die nächste Welle kommt bestimmt.

Galley Anheuern auf Segelschiffen

Danach verkrümeln wir uns in den Kojen. Hier ist es feucht und kalt. Alles stinkt. Schnell einschlafen, denn in wenigen Stunden wirst du wieder geweckt und musst hinaus in die Dunkelheit. Es zerrt an den Kräften. An Schlaf ist kaum zu denken. Das alte Schiff ächzt und kracht und an Deck rumpelt es laut. Es schwankt unaufhörlich. Müde Gesichter zu jeder Tages und Nachtzeit.

Vier Stunden Schicht lösen sich mit vier Stunden Freizeit ab. Zusätzlich ist jeder von uns einen Tag lang der Koch für die ganze Meute. Kochen ist gar nicht so einfach, wenn alles aus den Regalen purzelt und auch die Suppe bei hohem Seegang nicht im Topf bleiben mag.

Die Wellen schaukeln unser Schiff zu allen Seiten. Fünf sechs Meter kracht die Bugspitze hinunter in die Tiefen des Meeres. Und wieder hinauf. Es gleicht einer Achterbahnfahrt. Doch du weißt ganz genau, aus dieser Fahrt kannst du nicht so einfach aussteigen. Das kann noch ewig so weiter gehen.

Reisen per Segelboot: Zerfetztes Segel

Ich kralle mich am Steuerrad fest, doch die Welle ist zu stark und reißt mich hinunter. Welch ein Glück, dass wir als Crew so sehr aufeinander aufpassen. Denn es ist stockfinster. Wenn du den Halt verlierst und über die Reling gerissen wirst, bist du verloren.

So manches Segel hat der Sturm zerrissen. Es wird ein langer Weg nach Fiji werden.

Irgendwann ließ der Sturm nach, die Seekrankheit schwand und langsam schippern wir nun dahin. An manchen Tagen drehen wir uns im Kreis.

Das wir uns unserem Südseetraum langsam nähern, lässt sich auch an der ansteigenden Wärme des Meeres festmachen. An manchen Tagen könnten wir schneller schwimmen als segeln. Das machen wir auch und lassen uns immer wieder an einem lose hängenden Seil hinunter in den Pazifik schwingen.

Mit lautem Gejohle stürzen wir uns in die Tiefe des Ozeans, von dem sich die kleinen und großen Fische nicht verscheuchen lassen. Auch Wale und Delfine begleiten uns. Wunderbar, den Bewegungsradius nach Wochen des ,gefangen‘ fühlens endlich zu erweitern.

An einem Abend stehen sich Sonne und Vollmond am Horizont gegenüber. Was folgt ist ein Farbenspiel, wie ich es mit bloßen Worten kaum beschreiben kann. Alles ist friedlich und still. Alles bis auf die unermüdlichen Wellen des Meeres, die um unsere Schiffswände spülen.

Helena Sonnen am Ruder der Alvei

Das schwache Zauberlicht hat sich schon bald in ein purpurfarbenes Dämmerlicht gewandet. Es glitzert zu allen Seiten auf der Wasseroberfläche. Langsam wird es immer dunkler. Wir schauen gebannt in in die Ferne. Irgendwann ist es stockdunkel um uns herum geworden. Dunkle Wolken haben Mond und Sterne bedeckt. Und mit den Wolken kam der Wind, der uns mäßig voran treibt. Majestätisch gleitet unser Segelschiff mit seinen hohen Masten in die stockfinstere Nacht dahin.

Es ist eine Segelreise nach traditioneller Art: Jede Stunde führen wir ein Logbuch und ermitteln unsere Position auf alten Seefahrerkarten. Der Kompass gibt uns die Richtung vor, immer nach Norden.

Über einen Monat auf dem weiten Meer. Irgendwann wollen wir alle nur noch ankommen.

Land in Sicht! Nach 34 Tagen auf hoher See erreichen wir lang ersehntes Land: Bula Fiji – Hallo Fiji!

Alle Mann von Bord

Rettungsring Segelschiff Alvei

Am Ende haben wir nicht nur 1400 Seemeilen den Pazifik überquert, unzählige Sonnenaufgänge und Sonnenuntergänge erlebt, sondern auch 100 Tage lang auf einem alten Segelschiff gelebt, was dich auf eine Reise in ein Leben in längst vergessene Zeiten zurückführte.

Wie glücklich bin ich wieder festen Boden unter meinen Füßen zu spüren. Wie wesentlich dein Leben doch ist und welch großen Einfluss die Gewalten Wasser und Luft haben können, denen du dich in manchen Situationen nicht anders als beugen kannst.

Mit den einfachsten Mitteln haben wir es geschafft, uns das Leben an Bord so angenehm wie möglich zu gestalten. Wir hatten kein Geld für neue Segel, drum haben wir sie einfach geflickt. Hier rätselte man nicht lang über ein Problem, man nahm sich diesem an und versuchte das, was eben möglich war.

Ich habe es an Bord geliebt, gehasst, verflucht und neben Freud war Leid. Es war ein großes Abenteuer. An jedem Rat, an jeder Warnung war etwas Wahres dran. So kann ich diese Segelreise an Bord der ,Alvei` keinesfalls mit gutem Gewissen weiterempfehlen.

Mein Fazit dieser Seereise

Alte Schule Navigieren mit Karte und Kompass

Abenteuer wie diese Segelreise auf der ,Alvei‘ lässt dich an deine Grenzen stoßen, bringt dich in Situationen, in denen dein Leben und das der anderen in Gefahr ist. Es hält dir vor Augen, wie essenziell Teamarbeit und von einander Lernen sind. Es erinnert dich daran, wie kostbar dein Leben ist.

Die Segelreise auf der ,Alvei‘ wird zu den größten Abenteuern in meinem Leben zählen.

Mein Tipp für Abenteurer die ähnliches suchen

Auf diversen Internetseiten wie Hand-gegen-Koje, Facebook oder Crewbay (→ hier gibt’s noch mehr Websites zum Anheuern auf Segelbooten), eröffnet sich euch ein großes Angebot, um als Crewmitglied auf einem Schiff anzuheuern. Einige Segler setzen explizit Segelerfahrungen voraus. Würde ich mich wieder für eine Segelreise entscheiden, würde ich mich wie viele Backpacker persönlich am Hafen umsehen und die Kapitäne ansprechen. Einige bieten sogar eine Probezeit an Bord an.

So kannst du einen direkten Eindruck erhalten, ob solch eine Reise überhaupt zu dir passt. Zudem bieten  Informationstafeln in Yachtclubs oftmals eine Vielzahl von Crewgesuchangeboten, auf die man sich bewerben kann. Die ,Alvei` können wir nun aus erlebter Erfahrung mangels der Sicherheit an Bord nicht mit gutem Gewissen weiterempfehlen.

Über: Helena Sonnen und Tobias Retzlaff

Helena Sonnen und Tobias Retzlaff

Seit Oktober 2014 hat das Backpackerpaar Helena (28) und Tobias (28) die Großstadt Berlin hinter sich gelassen. Nun suchen sie ihr Glück gemeinsam in der Ferne. Nach einer Working-Holiday-Zeit in Australien folgte ein Roadtrip durch Neuseeland und im Anschluss ein dreimonatiges Segelabenteuer auf hoher See. Zur Zeit reisen sie mit der Bahn quer durch Asien.

Auf ihrem Blog http://www.aroundworld.de halten die Kunststudentin und der Filmschaffende ihre Erlebnisse in Reiseberichten und Tagebüchern fest, schenken in Kurzfilmen Einblicke in ihre Abenteuer und geben Anleitungen und Hilfestellungen für Reisende, die ähnliches suchen.

Über diese abenteuerliche Seereise haben die beiden ein eBook geschrieben: Erfahrt im kompletten Reisetagebuch alles vom ersten Tag der Vorbereitungszeit, den Tagen und Wochen auf hoher See, den Höhen und Tiefen, sowie den abschließenden Gedanken nach 100 Tagen an Bord.

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Timo Peters
Timo Petershttps://www.bruderleichtfuss.com
Timo Peters ist der Gründer und Chefabenteurer bei bruderleichtfuss.com. Ich verbringe meine meiste Zeit auf Reisen und stehe auf Abenteuer aller Art. Ich bin gerne in der Natur unterwegs: Zu Land wandere ich mit meinem Zelt durch die Wildnis, zur See gerne auf Segelbooten. Außerdem habe ich eine Leidenschaft für Reisen per Anhalter. Hier findest du mehr Infos über mich und diesen Blog.

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6 comments

    • Abgefahren! Danke für diese Infos – das Boot sollte man dann wohl echt meiden… Schade, dass es solche Fälle gibt, damit wird viel kaputt gemacht. Aber das gibt es umgekehrt ja leider auch und irgendwie überall :-/

  1. Hallo,
    Tolle Story, so etwas würde ich auch gerne mal machen. Kannst Du vielleicht mal erläutern welche Sicherheitsmängel es gab. Es würde mich als absoluten Segel-Neuling interessieren auf was ich denn so achten muss.

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