Nachtwanderung zum Preikestolen

Der Preikestolen ist ein Felsplateau, dessen Kante über 600 Meter fast senkrecht in den Lysefjord abfällt. Er liegt in der Nähe von Stavanger in Süd-Norwegen und ist eine der größten Natur-Attraktionen des Landes. Ich unternahm eine Nachtwanderung dorthin – ein Erfahrungsbericht.

Wanderung zum Preikestolen

Sonntag Morgen, 5 Uhr. Wir haben es uns auf einem kleinen Felsvorsprung bequem gemacht und und es riecht nach frischen Pfannkuchen, die gerade auf dem Gaskocher brutzeln. In wenigen Minuten wird die Sonne aufgehen und den Preikestolen und 604 Meter tiefer den Lysefjord in ein rosarotes Licht tauchen.

Die Plattform auf dem Preikestolen ist fast quadratisch, etwa 25 Meter lang und breit und im Moment leer. Das ist nicht normal: Schon in wenigen Stunden werden die ersten Wanderer hier ankommen und von dem Felsplateau aus die Aussicht über den Fjord und die Bergwelt genießen. An Spitzentagen bei schönem Wetter im Sommer kommen 4.000 Wanderer an einem Tag hierauf.

So ein Massentreffen wollte ich vermeiden, weshalb ich mich entschieden habe, eine geführte Nachtwanderung mit dem Wanderguide Johannes zu unternehmen – der hat dann auch an den Pfannkuchenteig und den Gaskocher gedacht.

Ausblick Preikestolen Lysefjord
Kurz vor Sonnenaufgang: Ausblick auf den Preikestolen

Vor zweieinhalb Stunden sind wir an der Preikestolen Fjellstue weiter unten aufgebrochen. Ich bin alles andere als ein Frühaufsteher – ich zweifelte stark an meiner Nachtwanderungs-Idee, als um 2.15 Uhr mein Wecker klingelte…

Aber die Nacht ist sternenklar, als wir ausgerüstet mit Kopflampen losmarschieren. Außer Johannes und mir ist noch die Norwegerin Åshild dabei, die auch noch nie einen Sonnenaufgang am Preikestolen erlebt hat.

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Es geht von Anfang an steil bergauf. In den letzten Jahren haben die Norweger den Wanderweg ausbauen lassen und dafür extra Sherpas aus dem Himalaya eingeflogen. Die Spezialisten haben natürliche Treppenstufen aus Felsen angelegt, die den Weg sicherer und komfortabler machen.

Trotzdem kommen wir schnell ins Schwitzen – und ich werde wach und unsere kleine Wandergruppe munter.

Nachtwanderung zum Preikestolen
Nachtwanderung zum Preikestolen

Der felsige Pfad führt eine gute Stunde weiter bergauf, bevor wir über einen Bohlenweg durch morastiges Gebiet laufen. Jetzt fängt es auch langsam an zu dämmern. „Jetzt werden die Leute oft nervös, ob wir es auch pünktlich zum Sonnenaufgang zum Preikestolen schaffen“, erzählt Johannes.

Ich bin das schon gewöhnt aus Norwegen: Die Sonne trifft hier im Norden in so einem spitzen Winkel auf die Erde, so dass die Dämmerungsphasen ausgesprochen lang sind.

Mehr zum Thema:

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Der Preikestolen wird übrigens oft in einem Atemzug mit der → Trolltunga genannt.

Ein letzter, längerer Aufstieg steht uns noch bevor – bevor wir die Endhöhe unserer Wanderung erreicht haben. Für eine Dreiviertelstunde geht es jetzt noch über ein Geröllfeld. Wir kommen an einem Gebirgssee vorbei, auf dem gerade die letzten, zarten Eisschichten des Winters verschwinden.

Preikestolen Gebirgssee
Der Gebirgssee bei Tag.

Irgendwo rauscht ein Wasserfall, der sich jetzt in der Nacht so laut anhört, dass ich ihn irgendwo in unmittelbarer Nähe vermute. Erst im Tageslicht auf dem Rückweg werde ich ihn erkennen können – an der anderen Seite der Schlucht, an der unser Weg jetzt entlangführt. Teilweise geht es neben uns so steil bergab, dass der Wanderpfad mit Ketten gesichert ist.

Trotzdem ziehen wir unser Tempo jetzt unbewusst an: Wir wissen, dass wir dem Preikestolen jetzt ganz nah sind. Nach etwa zwei Stunden Wanderung biegen wir noch um eine Ecke und vor uns liegt der Lysefjord. Bald ist auch die Felskanzel des Preikestolen zu sehen.

Wir halten jedoch nicht direkt auf ihn zu, sondern steigen noch einige Meter auf. Johannes kennt einen kleinen Vorsprung, von dem aus wir den perfekten Ausblick auf den Preikestolen und den Sonnenaufgang im Hintergrund haben. Als wir gerade die ersten Pfannkuchen verdrückt haben, ist es soweit:

Sonnenaufgang am Preikestolen
Sonnenaufgang am Preikestolen

Wir haben den perfekten Morgen erwischt: Die ersten Sonnenstrahlen dieses Maisonntags leuchten die wenigen, kleinen Wölkchen am Horizont an und werden reflektiert vom blauen Wasser im Fjord und den weißen Schneehauben, die der Winter auf den umliegenden Berggipfeln zurückgelassen hat.

Von irgendwo her kommen zwei andere Wanderer, sie haben die Nacht irgendwo hier oben im Zelt verbracht. Johannes, Åshild und ich sprechen minutenlang kein Wort, dafür klicken unsere Kameras im Sekundentakt und machen immer wieder Bilder vom gleichen Motiv.

Irgendwann beruhigen wir uns und packen unsere Frühstücksküche in die Rucksäcke. Auch die Kopflampen können jetzt dort verschwinden. Die Sonne ist aufgegangen und die Färbung der Landschaft ist jetzt nicht mehr rosarot, sondern goldgelb – Zeit, auf die Plattform des Preikestolen selber zu gehen.

Der Preikestolen am Lysefjord
Der Preikestolen am Lysefjord

Obwohl es an den Rändern der Plattform wirklich senkrecht heruntergeht, über hunderte von Metern, gibt es hier keinen Zaun oder irgendeine Sicherung. Ich bewege mich so nah wie möglich an die Kante und spüre, wie meine Knie weich werden. Schnell lasse ich Johannes ein Foto von mir machen, um dann den Sicherheitsschritt zurückzutreten.

Eine dicke Spalte durchzieht den Felsen schon jetzt: Irgendwann wird er abbrechen und in die Tiefe stürzen – so wie die Felsen um den Preikestolen vor 10.000 Jahren, wodurch diese Kanzel erst entstand. Bis dahin wird aber noch so manch ein deutscher Tourist mit weichen Knien am Abgrund stehen…

Eigentlich können wir uns nicht sattsehen, trotzdem brechen wir irgendwann auf und treten den Rückweg an. Mir wird ein weiterer, riesiger Vorteil einer Nachtwanderung bewusst: Obwohl wir denselben Weg zurück gehen, den wir gekommen sind, wirkt er bei Sonnenschein ganz anders und neu auf mich.

Wanderweg zum Preikestolen
Wanderweg zum Preikestolen

Der Abstieg dauert wieder ungefähr zwei Stunden. Während uns am Preikestolen noch die Euphorie über unsere Müdigkeit hinweg täuschte, merken wir jetzt langsam, dass wir für einen Sonntagmorgen um sieben Uhr doch schon ein ganz gutes Pensum hinter uns haben.

Nach ungefähr der Hälfte unseres Weges kommen uns die ersten, kleinen Wandergruppen entgegen. Ich bin froh, dass wir die Momente dort oben ganz für uns alleine hatten – das frühe Aufstehen hat sich gelohnt.

Zusatzinfos zur Preikestolen-Wanderung

Unterkunft Preikestolen Fjellstue
Der historische Teil der Preikestolen Fjellstue ist ein ehemaliger Bauernhof.

Alleine Wandern: Der Wanderweg ist hervorragend angelegt und völlig unmissverständlich ausgeschildert. Wenn man die Aufenthaltszeit am Preikestolen nicht mitrechnet, braucht man für den Hin- und Rückweg etwa vier Stunden. Eine unabhängige Wanderung ist also absolut möglich.

Wanderguide: Anfang Mai sind die Wetterbedingungen hier in Norwegen noch alles andere als sicher. Ich wollte zum Beispiel während meines Kurztrips nach Stavanger eigentlich noch zum Kjerag wandern, der hier in direkter Umgebung liegt. Ich musste darauf verzichten: Auf den Zufahrtsstraßen und auf den Wanderwegen dort liegen noch mehrere Meter Schnee.

Außerdem wollte ich unbedingt bei Nacht wandern – da bin ich mit meinem Wanderführer Johannes auf Nummer Sicher gegangen. Eine Wanderung mit ihm kann ich nur empfehlen – hier gibt’s mehr Infos zu seinen Angeboten: outdoorlifenorway.com.

Unterkunft: Die Preikestolen Fjellstue liegt direkt am Startpunkt der Wanderung und ist deshalb perfekt als Ausgangspunkt. Sie liegt an einem See, an dem man auch diverse anderen Aktivitäten nachgehen kann: Kajaken und Kanufahren, Stand-Up-Paddeling, Klettern – für Outdoorfreunde gibt’s eine Menge zu tun und ich hätte mich hier auch locker ein paar Tage mehr hervorragend beschäftigen können.

Ein Teil der Unterkunft hat gehobenes Hotelniveau, es gibt ein sehr gutes Restaurant und das Holzgebäude hat Architekturpreise erhalten. Der historische Teil der Fjellstue liegt in einem ehemaligen Bauernhaus und hier gibt es günstigere Unterkünfte auf Jugendherbergsniveau. Mehr Infos gibt’s hier.

Preikestolen tagsüber: Beim Outdoormädchen gibt es einen Bericht von derselben Wanderung bei Tag.

Wart ihr schonmal zum Wandern in Norwegen
oder sogar am Preikestolen?
Ich freue mich über  deinen Kommentar!

Disclosure: Bei meiner Reise nach Stavanger wurde ich unterstützt von der Region Stavanger

Timo Peters
Timo Petershttps://www.bruderleichtfuss.com
Timo Peters ist der Gründer und Chefabenteurer bei bruderleichtfuss.com. Ich verbringe meine meiste Zeit auf Reisen und stehe auf Abenteuer aller Art. Ich bin gerne in der Natur unterwegs: Zu Land wandere ich mit meinem Zelt durch die Wildnis, zur See gerne auf Segelbooten. Außerdem habe ich eine Leidenschaft für Reisen per Anhalter. Hier findest du mehr Infos über mich und diesen Blog.

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21 comments

  1. Hallo das klingt super schön, das möchte ich auf jeden Fall auch machen!
    ich bin mit meinem Freund im August für ca. 2 Wochen in Norwegen und möchte gerne eine Bootstour o.ä. zum Geburtstag schenken.
    Hast du dazu vielleicht irgendwelche Tipps? Ich würde gerne entweder von Bergen oder Oslo aus eine Fjordtour machen.
    Das Internet ist voll von Angeboten, aber ich suche etwas Besonders für höchstens 250 €.
    Liebe Grüße

  2. Wow…klasse Bericht.. .in 4 Wochen geht’s für mich nach Norwegen. Was kostet denn diese Nachtwanderung und kann man das auch einen Tag vorher buchen

    Lg sabine

  3. Hei!
    Ich habe gestern die Wanderung mit Johannes gemacht! Ein sagenhaftes Erlebnis und ich kann deine Beschreibungen genau nachfühlen. Für ein paar Momente will man einfach gar nichts sagen, wenn die Sonne dort am Horizont erscheint.

    Ich finde Johannes macht seine Touren echt gut und hat hier einen Link verdient: http://www.outdoorlifenorway.com

    Grüße
    Andrea

    • Hei Andrea,
      cool, dass du auch so einen Spaß hattest, wie ich! Johannes ist echt ein spitzenmäßiger Guide! Oben ist er ja auch schon verlinkt, aber doppelt hält besser 😉
      Liebe Grüße!

  4. […] bruderleichtfuss.com Nachtwanderung zum Preikestolen Preikestolen ist ein Felsplateau in Norwegen, dessen Kante fast 600 Meter senkrecht abfällt. Und damit hat es sich zu einer der größten Attraktionen des Landes gemausert. Kein Wunder also, dass es in Spitzenzeiten bis zu 4.000 Wanderer pro Tag auf die 25×25 Meter große Fläche zieht. Um dem Andrang zu entgehen, hat Timo eine Nachtwanderung unternommen und wurde mit dem Sonnenaufgang am menschenleeren Preikestolen belohnt. https://www.bruderleichtfuss.com/nachtwanderung-preikestolen/ […]

  5. …ich liebe diese Wanderung…ihr wart allerdings hoffnungslos „überrüstet“. Als ich das letzte mal da war hat eine kleine Asiatin den Aufstieg in Pumps (ja, richtig gehört!) gestemmt. Gut, sie hat 4 Stunden gebraucht…aber geht!

    Für alle, die da mal hin wollen: Es gibt relativ nah dran auch nen schönen Campingplatz, von dem aus man auch loslaufen kann, dauert dann ca. 30 Minuten länger…

    Da oben zu Zelten wär echt mal geil, im Dunkeln hoch fänd ich glaub ich ein bisschen spookie…

    Auf den Kjerag konnten wir damals auch nicht, weil leider fieser Regen einsetzte, als wir los wollten. Dafür sind wir auf dem Hinweg die lange Stichstraße dorthin durch dichten Nebel gefahren, da war dann die Rückfahrt etwas Neues…

    hach, Norge…ich vermisse dich…

    • Hi Muck,
      wir waren allerdings überrüstet: Ich wollte eigentlich nur meinen neuen Rucksack ausprobieren und habe ihn deswegen wahllos vollgepackt mit Klamotten 😉
      Aber in Pumps würde ich ehrlich gesagt niemandem empfehlen, dort hochzumarschieren…
      Lieben Gruß,
      Timo

  6. Klasse Tourenbericht! Bei Nacht dort hoch zu stiefeln, reizt mich auch. Wir sind tagsüber in einem Pulk von Touris hochgelaufen. Wir waren allerdings die einzigen mit dicken Rucksäcken, weil wir gerne oben zelten wollten, um genau diesen tollen Sonnenaufgang zu genießen. Hat leider nicht geklappt, weil alle nicht-Stein-Flächen gnadenlos unter Wasser standen. Also sind wir mit Sack und Pack auch wieder runter gelaufen. Pech! Aber der Ausblick war trotzdem toll und das Gefühl, die Beine herunter baumeln zu lassen, ist absolut erhebend!

    • Das ist ja mal ein bisschen ärgerlich… Ich habe hier in ganz Norwegen schon häufiger gedacht, dass ein selbststehendes Zelt echt cool wäre, weil man da keine Heringe braucht und so auch auf felsigem Untergrund zelten kann.

  7. Wow, was für Fotos, Timo!!!

    Da bin ich ja direkt neidisch. Sowohl auf die Pfannekuchen als auch auf die Lichtverhältnisse 😀

    Und mit den dicken Rucksäcken da hoch – Respekt, sag ich da mal!

    Lieben Gruß und danke für Deine Verlinkung,
    Corinna

    • Ja, die Lichtverhältnisse waren wirklich phänomenal bei Sonnenaufgang! Übrigens hatte ich meinen Rucksack eigentlich nur zu Trainingszwecken gepackt und mitgeschleppt – eigentlich ist die Wanderung ja nicht soo lang, dass man sehr viel Gepäck bräuchte. Aber dafür bin ich nicht hochgejoggt, wie du 😉
      Lieben Gruß!

  8. Was für Hammerbilder und wie beneidenswert, dass Ihr den Preikestolen für Euch hattet. Ich musste ihn leider mit vielen anderen teilen. Ein paar Italiener saßen ganz am Rand und ließen die Beine baumeln, da kriege ich immer noch Gänsehaut. LG, Ines

  9. Wow! Wahnsinnig geile Bilder! Ich bin begeistert.
    Ich war letztes Jahr am Preikestolen, habe ihn aber „nur“ auf
    einer Bootsfahrt durch die Fjorde von unten erleben können.
    War trotzdem toll.
    Liebe Grüße,
    Julia

    • Hi Julia,
      von unten hätte ich mir den Preikestolen gerne auch noch angeschaut – muss ebenso eindrucksvoll sein! Leider fehlte mir die Zeit dafür. Aber ich muss eh demnächst nochmal in die Ecke, um auch mal Fotos am Kjerag zu machen 😉 Dann wird hoffentlich auch das nachgeholt!
      Liebe Grüße,
      Timo

  10. Mein lieber Scholli!

    Du bist bekloppt, aber genial! Ich kann verstehen, dass man die Aussicht auch mal für sich haben möchte. Und das zum Sonnenaufgang. Würde gerne mehr über die Scherpas erfahren, die eingeflogen wurden. Hast leider keinen Link hinterlegt, werde das mal googeln…

    • Ja, da oben ist es sonst auch gerne mal wirklich sehr voll – ich glaube, mir wäre noch ein bisschen mulmiger, wenn ich da oben mit 300 Leuten gleichzeitig rumlaufen würde.
      An den Scherpas bin ich dran – da übernimmt wohl immer dieselbe Gruppe regelmäßig solche Jobs in ganz Norwegen. Megaspannend!

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