Tröten, Fanfaren und Schiffshörner hupen, eine Menschentraube hat sich am Dock im Yachthafen von Mindelo auf São Vicente gebildet. Die Menschen winken, lachen und verdrücken sich vereinzelt eine Träne: Die „Waimanu“, das kleine Boot des irisch-kanadischen Pärchens Tim und Ana legt ab, Richtung Karibik. Gute Wünsche werden über das Wasser gerufen, „guten Wind!“, „viel Glück!“, oder einfach „viel Spaß!“.
Es ist jedes Mal ein emotionaler Augenblick, wenn eine neue Yacht in See sticht, für den ganz großen Seglertraum. Und der Zusammenhalt unter den Seglern ist hier groß – jeder fiebert beim anderen mit und hilft, wo er nur kann. Nach acht Tagen auf See, landete ich auf meinem Weg per Anhalter über den Atlantik hier auf der Kapverdischen Insel São Vicente.
Direkt nach der Ankunft hat die Crew der „Libertalia“ sich mit Tim und Ana angefreundet. Die beiden halfen tatkräftig dabei mit, unser das Paket, das wir auf See nach unserem kleinen Unfall aus dem Genuasegel gepackt hatten, wieder aus zu packen. Auch sie holten sich einige Schürfwunden und Brandblasen an den Händen ab – knapp 80 Quadratmeter Segelfläche sind selbst bei schwachem Wind nicht leicht zu halten.
Kap Verde ist ein kleiner Inselstaat im äußersten Westen Afrikas etwa 1000 Kilometer entfert von der Küste des Senegals. Nur etwa 500.000 Menschen leben auf diesen 13 Vulkaninseln, weit draußen auf dem Atlantik. Der Hafen in Mindelo war schon seit der Entdeckung der Inseln durch die Portugiesen im 15. Jahrhundert der Dreh- und Angelpunkt. Bevor die Europäer hier ankamen, waren die Inseln unbesiedelt. Dann waren sie für einige Jahrhunderte ein großer Umschlagsplatz für schwarzafrikanische Sklaven, außerdem siedelten sich Seefahrer aus aller Welt hier an.
Ich helfe hier dem Kapitän der „Libertalia“ das Segelboot wieder fit zu machen für ihren weiteren Weg über den Ozean. Mein deutscher Käpt’n Phil, der Amerikaner Kyle und ich haben beschlossen, dass wir ein gutes Team sind und deshalb zusammen bleiben werden. Schließlich hatten wir auf dem Weg hierher einige Prüfungen bestehen und wir haben sie gemeistert.
Für mich heißt das, dass mein Ziel jetzt endlich fest: Es geht nach Recife in Brasilien! Nur Cecilie, die junge Norwegerin hat sich anders entschieden. Ihre Seekrankheit während der Überfahrt von Fuerteventura war zu schlimm, sie wird den klassischen Weg über den Ozean nehmen – per Flugzeug. Allerdings haben wir uns auch mit ihr gut verstanden, also werden wir sie, voraus gesetzt, dass alles so läuft, wie wir es planen, auf der anderen Seite wiedersehen werden.
Damit es so weit kommt, stehen jetzt aber erstmal Reparaturen auf der „Libertalia“ an. Die Schäden von dem Törn von den Kanarischen Inseln bis hier wollen behoben werden. Wie uns geht es eigenlich den meisten andern Seglern im Hafen auch. Jeder hier hat einen langen Weg hinter sich und es macht den Anschein, dass kaum ein Boot diesen Törn ohne jeden Schaden besteht.
Und jeder hier will eigentlich bald weiter, die Kapverden sind nur eine Zwischenstation auf dem halben Weg über den Atlantischen Ozean. Die Kapitäne und Crews der Segelboote im Sporthafen sind von morgens früh bis abends spät bei der Arbeit: Irgendwo läuft immer eine Bohrmaschine oder eine Flex, Hammerschläge hallen über das hellblaue Hafenwasser und Sägen kreischen durch die Seeluft.
Immer wieder ist man dabei auf die Hilfe der „Nachbarn“ angewiesen: Der Franzose neben uns braucht einen Schraubenschlüssel und wir haben zufällig die passende Größe an Bord, irgendein Werkzeug wird immer über die Reling gereicht. Und zwischendurch kommen immer wieder Mitarbeiter des örtlichen Supermarkts „Fragata“ und schieben eine Karavane an Einkaufswagen über die Hafenstege – Proviantierung für das nächste Boot, das seine Reise über den Ozean antritt.
Trotz all der Arbeit passen Käpt’n Phil, der Amerikaner Kyle und ich gut auf, dass der Spaß nicht zu kurz kommt: Wir haben eingige Bars und Diskotheken hier in Mindelo ausgekundschaftet, wir waren baden am Stadtstrand und haben Wanderungen auf den Bergen der Nachbarinsel Santo Antão unternommen.
Außerdem wurde auch immer mal wieder das Werkzeug beseite gelegt, um mit dem Franzosen vom Nachbarboot ein Aperitiv zu genießen. Außerdem haben wir das Glück, dass hier auf den Kapverden der Karneval groß gefeiert wird. Die Vorbereitungen dafür laufen, und sie bestehen vor allem darin, dass der örtliche Sambaverein übt. Dafür ziehen die Musiker mit Pauken und Trompeten durch die Straßen – schon jetzt gefolgt von einigen Tausend feierfreudiger Menschen. Das bunte und fröhliche Treiben ließen wir uns selbstverständlich nicht entgehen.
Auf der anderen Seite des Atlantiks werden wir dann die Gelegenheit haben, das brasilianische Original kennen zu lernen. Wenn wir die Überfahrt ohne Probleme überstehen, sollten wir pünktlich zu dem Spektakel in Recife am östlichsten Zipfel Brasiliens ankommen. Etwa zwei Wochen werden wir die Seeluft genießen, dabei ungefähr 1700 Seemeilen hinter uns bringen und den Äquator überqueren. Vorher werden wir es sein, die massenhaft Proviant geliefert bekommen. Und bestimmt finden sich dann auch einige von unseren Seglerfreunden, die uns mit ihren Tröten und Schiffshörnern gebührend verabschieden.