Ein wilder Ritt über den Ozean und viel Bruch…

Eine schwarze, kalte Nachtschicht auf der “Libertalia” liegt hinter mir. Kein noch so kleiner Lichtstrahl des Mondes drang durch die dichte, dunkle Wolkendecke über der sehr bewegten, fast wilden See. Der Wind blies kräftig und hohe Wellen rollten in kurzen Abständen auf das Segelboot zu, immer wieder spritzte kübelweise Wasser auf das Deck, mir ins Gesicht.

Jetzt ist der Tag gerade angebrochen, Käpt’n Phil hat mich als Wachhabenden abgelöst. Ich bin froh, endlich in meiner Koje zu liegen und hoffe, trotz des starken Wellengangs, der meinen müden Körper ständig hin und her wirft, zumindest einige Stunden Schlaf zu bekommen.

Gerade wälze ich mich zum X-ten Mal von der einen auf die andere Seite, um eine halbwegs sichere Position zu finden, da tönt ein lauter Schrei vom Cockpit herunter: “ALLE MANN AN DECK!”. Ich fluche leise, realisiere aber, dass jetzt wohl Eile geboten ist. Also springe ich auf, werfe mir meine Rettungsweste über und bewege meine müden Glieder nach oben.

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Der Anblick, der sich mir dort bietet, schockt mich: Phil steht am Heck und hat den Baum des Besansegels in der Hand, er hat sich offensichtlich vom Mast losgerissen. Vorne, am Bug flattert unser größtes Segel, die Genua, wild herum, auch ihr Baum hat sich los gerissen und ein Kugellager des Rollsegels ist zerschlagen worden.

Besan Baum Reparatur

Kyle, unser amerikanisches Crewmitglied schaltet viel schneller als ich und macht sich daran, dass Wirr-Warr vorne zu entknoten und alle wichtigen Teile zu sichern, ich laufe zunächst mehr oder weniger hilflos zwischen Bug und Heck hin und her und versuche mal Phil und mal Kyle zu Hand zu gehen.

Im Cockpit steht wie angewurzelt die arme Cecilia, es ist ihr zweiter Tag überhaupt auf einem Segelboot, sie ist seekrank und hat seit wir abgelegt sind noch kein Auge zu getan. Entgeistert schaut sie dem Treiben zu. Phil, Kyle und ich beheben das gröbste Chaos zum Glück recht schnell, so dass wir weiter segeln können, ohne dass sich der Zustand des Bootes noch weiter verschlechtert.

Sturm Atlantischer Ozean Segelboot

Später erklärt Phil uns, was der Fehler war: Die ganze Zeit hatten wir sehr achterlichen Wind, der drehte dann kurz weiter und das Besansegel legte eine Halse hin – komplett ungewollt. Dann war der Wind auch noch ziemlich stark, so dass das Besanrigg der starken Belastung nicht standhalten konnte. Wir hätten wohl den Kurs ändern sollen, um den Wind mehr von der Seite zu bekommen. Auch ein zusätzliches Reff hätte ganz sicher nicht geschadet.

Jetzt ist es jedoch zu spät, um über Fehler nach zu denken und wir machen uns lieber Gedanken, wie wir die Schäden notdürftig reparieren können. Das Weitersegeln, meine größte Sorge im ersten Augenblick, ist erstmal kein Problem, und schon morgen soll der Wind deutlich nachlassen, damit auch die Wellen kleiner werden und das Leben an Bord wieder gemütlicher werden.

Fünf Tage später: Wir hatten uns alle von dem Schock des ersten Unfalls erholt, diesmal bin ich auf Wache. Ich habe meine Kopfhörer auf den Ohren und stehe auf dem Achterdeck, schaue auf die See und bin gerade gänzlich zufrieden mit mir und meiner Welt, da gibt es vorne am Bug plötzlich einen Knall. Die Verankerung des Vorstags am Bug ist gebrochen!

Diesmal ist es an mir, “Alle Mann an Deck” zu rufen, mittlerweile haben wir ja Routine in dieser Übung. Mit fast allen Leinen, die uns zur Verfügung stehen, fangen wir das Segel ein und brauchen jetzt einige Stunden, um es irgendwie zu einer festen Wurst zu verknoten.

Vorstag Bruch Atlantiküberquerung

Von fast einer Woche auf See mit unregelmäßigem Schlaf und genau so unregelmäßigen Mahlzeiten sind wir so wie so schon müde und der Kampf mit dem Segel verlangt jetzt noch einmal alle Kräfte von uns.

Und trotzdem: Während einer Atempause schaut Phil mich schelmisch an und sagt: “Irgendwie verrückt, aber sogar das macht Spaß gerade!”. Ich schaue Richtung Westen, wo gerade die Sonne untergeht und gebe ihm mit einem breiten Grinsen Recht.

Beim Einlaufen in den Hafen von Mindelo auf Sao Vicente freuen wir uns, immerhin zwei von vier Segeln unversehrt über den Atlantik gebracht zu haben. Jetzt wollen wir uns alle erstmal richtig ausschlafen, bevor es daran geht, die Wunden der “Libertalia” zu lecken und das Boot wieder bereit zu machen für den zweiten Teil der Passage über den Atlantischen Ozean nach Brasilien.

Crew Atlantiküberquerung Fuerteventura Kapverden

→ Trotz unserer Probleme zwischen Fuerteventura und den Kapverden habe ich übrigens auch diesen Törn sehr genossen. Warum – das steht hier.

Timo Peters
Timo Petershttps://www.bruderleichtfuss.com
Timo Peters ist der Gründer und Chefabenteurer bei bruderleichtfuss.com. Ich verbringe meine meiste Zeit auf Reisen und stehe auf Abenteuer aller Art. Ich bin gerne in der Natur unterwegs: Zu Land wandere ich mit meinem Zelt durch die Wildnis, zur See gerne auf Segelbooten. Außerdem habe ich eine Leidenschaft für Reisen per Anhalter. Hier findest du mehr Infos über mich und diesen Blog.

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1 comment

  1. Geil !! Denk auch dran wenn möglich eine Art Google Map oder sogar personalierterer Plan/Karte von ihrer Reise auf dem Blogpost mitzupacken. Muß nicht sein aber cool um eure Fahrt eifnacher verfolgen zu können. Alles gute zum neuen Jahr und extrem viel Spaß noch !!

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